La MAMMA– Die Mutterfigur in Italien zwischen Tradition und Wandel
Wenn man an Italien denkt, kommt einem oft sofort „la mamma“ in den Sinn – warmherzig, hingebungsvoll, allgegenwärtig. Doch wer ist diese „Mamma“ wirklich – sprachlich, kulturell und gesellschaftlich?
Etymologie: Woher kommt „mamma“?
Das italienische Wort mamma ist eine sogenannte Lallwortbildung, die aus den ersten Lautäußerungen von Säuglingen stammt. Ähnliche Formen gibt es in vielen Sprachen – mama, mum, mom, maman. Die Wiederholung des „m“-Lauts wirkt für Babys einfach zu artikulieren und emotional beruhigend.
Im Lateinischen finden wir bereits das Wort mamma, das sowohl „Mutter“ als auch „Brust“ bedeuten konnte – ein direkter Bezug zur nährenden, fürsorglichen Funktion der Mutter.
Die traditionelle Mutterrolle: Heilige, Hüterin, Mittelpunkt
In der traditionellen italienischen Gesellschaft wurde die Mutter fast mythisch überhöht. Sie war das Herz der Familie, die stille, aber unerschütterliche Kraft im Hintergrund. Religiös überlagert wurde dieses Bild durch die Verehrung der Madonna, der Mutter Jesu, die als Ideal der Selbstaufopferung galt.
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war die Mutter oft Hausfrau, Erzieherin, Köchin, Krankenschwester – alles in einem, während der Vater die Außenwelt repräsentierte. Die mamma italiana wurde zur nationalen Ikone – nicht selten klischeehaft verklärt in Filmen, Literatur und Werbung.
Wandel der Mutterrolle: Zwischen Tradition und Emanzipation
Mit dem sozialen und wirtschaftlichen Wandel ab den 1970er Jahren kam Bewegung in das Bild der Mutter. Immer mehr Frauen in Italien begannen zu arbeiten, sich politisch zu engagieren und ihre Identität über die Rolle als Mutter hinaus zu definieren.
Doch der kulturelle Druck blieb hoch. Viele Italienerinnen sahen (und sehen) sich einem Doppelstandard ausgesetzt: modern, unabhängig und berufstätig sein – und gleichzeitig die perfekte Mutter, wie es die nonna einst war.
Geburtenrückgang als Ausdruck des Rollenwandels
Ein deutliches Zeichen dieses gesellschaftlichen Umbruchs ist die stark gesunkene Geburtenrate in Italien. Mit aktuell weniger als 1,2 Kindern pro Frau zählt das Land zu den Schlusslichtern Europas. Viele Frauen entscheiden sich bewusst gegen Kinder oder verschieben die Familiengründung – nicht aus Ablehnung gegenüber Mutterschaft, sondern aus realistischen Abwägungen: fehlende Kita-Plätze, unzureichende staatliche Unterstützung, ein überholtes Familienmodell und kaum Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Diese Entwicklung zeigt: Mutterschaft wird heute nicht mehr als selbstverständlicher Lebensweg, sondern als individuelle Entscheidung mit gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen betrachtet.
Wie Italienerinnen heute Muttersein erleben
Heutzutage wird Mutterschaft in Italien vielschichtiger wahrgenommen. Frauen reflektieren bewusster ihre Rolle – zwischen Wunsch nach Nähe und dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Viele fordern eine gerechtere Aufteilung der Care-Arbeit, bessere Kinderbetreuung und flexiblere Arbeitsmodelle.
Es entsteht ein neues Mutterbild: „la mamma“ bleibt wichtig, aber nicht mehr alleinverantwortlich. Die moderne Mutter in Italien ist liebevoll, aber nicht allmächtig. Sie liebt ihre Kinder – und sich selbst genug, um auch nein sagen zu dürfen.
Fazit
Die Mutterfigur in Italien ist heute ein faszinierender Spiegel des gesellschaftlichen Wandels. Vom archaischen Idealbild über die rebellische Neuverortung bis zur heutigen Vielfalt an Lebensmodellen – la mamma bleibt eine zentrale Figur der italienischen Kultur, nur mit neuen Konturen. Und mit ihr wandelt sich auch das Land – langsamer als andere, aber unaufhaltsam.